Innere Gewalt
Roman
Bahoe Books, 28. März 2022
Hardcover, 260 Seiten
ISBN 978-3-903290-68-6
Olivia Wolf hat einen guten Job – flache Hierarchien, Büro im Altbau, flexible Arbeitszeiten – und sie ist völlig unterfordert. Als ihr Chef ihr eine große PR-Kampagne in Aussicht stellt, sieht sie ihre Chance aufzusteigen, um sich endlich selbst zu verwirklichen. Bald ist Olivia jedes Mittel recht, um ihr Ziel zu erreichen – auch, wenn ihr Privatleben daran zerbricht und die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit dabei immer mehr verschwimmt. Und was, wenn sich das angestrebte Ziel selbst als Illusion entpuppt?
Ein literarisches Debüt über Bullshit-Jobs, die Abgründe der modernen Arbeitswelt und die zynische Logik der Selbstoptimierung.
ORF-Bestenliste Juli & August 2022
„Während der Roman als gewiefte Satire auf die Marketingwelt beginnt, entwickelt sich „Innere Gewalt“ allmählich zu einem Psychogramm einer Frau, die an den Ansprüchen, die das Leben an sie stellt, zu zerbrechen droht.“
Pressestimmen
Das Büro ist der Tod
Besprechung von Christof Mackinger für KOMPETENZ online
20. Juni 2022
Vollständige Rezension
„Alexander Lippmanns Roman „Innere Gewalt“ ist ein beeindruckendes Zeugnis des psychischen Drucks, den die Arbeit auf Angestellte aufbauen kann. Das Gefühl nicht zu wollen, nicht zu können, aber trotzdem sich jeden morgen ins Büro quälen zu müssen und dabei noch gute Miene vermitteln zu müssen. Burn-Out, Übermüdung, Doppelt- und Dreifachbelastung und – vermeintlich – kein Entkommen. Im zweiten Roman des Wiener Autors wird das deprimierende Leben, die Langeweile gepaart mit Stress einer inhaltsleeren, unerfüllenden Arbeit derart gut vermittelt, dass es der Leserin, dem die Leser schon fast zur Belastung wird. (…) Am Ende aber ist „Innere Gewalt“ schon fast ein Zeitdokument, wie die neoliberalen Arbeitsverhältnisse im Dienstleistungssektor alle Beteiligten kaputt machen können. Diese Zwänge als Zeitdokument einzuordnen gibt zumindest die Hoffnung, dass solch verrückte Arbeitsverhältnisse irgendwann auch der Vergangenheit angehören könnten.“
Besprechung von Veronika Hofeneder für das Literaturhaus Wien,
9.5.2022
Vollständige Rezension
„Was Lippmann als bitterböse Satire beginnt, die nach Sinn und Wert von Arbeit in der auf Profit und Selbstdarstellung hin orientierten Marketingbranche fragt, entwickelt sich mehr und mehr zu einem beklemmenden Psychogramm einer jungen Frau, die den Spagat zwischen den von außen auferlegten Zwängen und der „inneren Gewalt“, alles richtig zu machen und allen zu genügen, immer weniger schafft. Lippmann erweist sich dabei als aufmerksamer Beobachter, der Olivias Dilemma so empathisch wie subtil zu vermitteln vermag. Als Leser:in ist man immer wieder aufs Neue von unvorhergesehenen Wendungen überrascht, mit denen der Autor das Netz um seine traumatisierte Protagonistin enger und enger zieht. Dabei bleibt er immer glaubwürdig und stilistisch treffsicher, auch die finale Dramaturgie folgt der grausamen Psycho-Logik der Handlungsträger:innen. Wenn Olivia ihr Schicksal am Ende lakonisch mit „Man gewöhnt sich eben an alles […]. Leider.“ (255) kommentiert, stellt sie sich damit selbst einen Befund aus, der desperater und endgültiger nicht sein könnte. Lippmann ist mit Innere Gewalt ein Roman gelungen, der die Identitätsprobleme junger Erwachsener satirisch treffsicher und psychologisch überzeugend verhandelt. Beklemmend gut!“
Diese Arbeit ist ein Wahnsinn
Besprechung von Sebastian Hofer für Profil, Nr. 17, 24. 4. 2022
In seinem Roman „Innere Gewalt“ erzählt Alexander Lippmann von den moralischen Verwüstungen der zynischen Gegenwart. Olivia Wolf, Mitte 30, seit ein paar Jahren in einer kinder- und auch ein wenig trostlosen Beziehung, arbeitet als leitende Angestellte in einer Agentur für politische PR, beziehungsweise, wie es ihr Chef Wolfgang beschreibt: „PR, Social Media, Medienbeobachtung oder einfach ein Raum, wo Ideen wachsen können, ein Inkubator.“
Vor 100 Jahren hätte man diese Arbeit entfremdet genannt, heute vielleicht: perspektivenarm. Ultrazynische Projekte bahnen sich an, die Arbeitslose und Geflüchtete bei ihrem Sozialkapital packen sollen (sind Kummer und Flexibilität gewohnt!). Bei dieser Anbahnung tun sich freilich Hindernisse auf, von denen nicht ganz klar ist, ob sie paranoiden Ursprungs sind oder doch Effekte einer realen Verschwörung. Das Projekt driftet so oder so in den Wahnsinn: Begegnungen und Bildschirme kippen in schauerromantische Effekte, der Firnis des Alltags bekommt Risse, als wäre E.T.A. Hoffmann plötzlich auf LinkedIn.
Aber die gruseligsten Passagen von „Innere Gewalt“ bleiben die schauerlich normalen: Autor Alexander Lippmann, 1978 in St. Pölten geboren, versteht sich in der lakonischen Beschreibung dessen, was niemand wahrnehmen mag. Das unterdrückte Bewusstsein der modernen Arbeitnehmerin kehrt als anschwellender Alptraum zurück: „Olivia telefoniert und schreibt E-Mails. Ab und zu hat sie eine Besprechung, bei der sie über Nachrichten oder Telefonate redet und die damit endet, dass sie Menschen anrufen muss, weil sie nicht reagiert haben.“ Dieser Roman stellt eine bedrückende Frage: Was, wenn diese Arbeit wirklich nichts als eine psychologische Schießbude ist, in der es nur Trostpreise zu gewinnen gibt – und sehr viel zu verlieren, vor allem natürlich: sich selbst?
Rezensiert von: Sebastian Hofer
